Übersicht: PressemitteilungenErstellt am: 24.06.2025

„Vom Patienten zum Profi: Können Betroffene die Krebs-Forschung wirklich voranbringen?“

Essen, 24. Juni 2025 – Beim Onko-Talk NRW am Westdeutschen Tumorzentrum (WTZ) in Essen stand ein Thema im Fokus, das die Krebsmedizin zunehmend verändert: die aktive Beteiligung von Patientinnen und Patienten an Forschung, Versorgungs- und Entscheidungsprozessen. Unter dem Titel „Vom Patienten zum Profi: Können Betroffene die Krebs-Forschung wirklich voranbringen?“ diskutierten Vertreterinnen und Vertreter aus Wissenschaft, Politik und Patientenschaft, wie Betroffene ihre Erfahrung einbringen – und was sie dafür brauchen.

Gleich zu Beginn machte Moderatorin Sarah Majorczyk deutlich, worum es geht: „Es gibt kaum noch eine Familie, die nicht mit Krebs konfrontiert war. Umso wichtiger ist es, dass Patientinnen und Patienten als Mitgestaltende verstanden werden.“

Prof. Angelika Eggert: „Patientinnen und Patienten sind die wahren Experten“

Die neue Ärztliche Direktorin und Vorstandsvorsitzende der Universitätsmedizin Essen, Prof. Dr. Angelika Eggert, betonte in ihrem Grußwort die zentrale Rolle der Betroffenen in der modernen Onkologie. Ihre Botschaft war klar: „Die wahren Experten sind die Erkrankten. Können Patienten-Experten die Krebsforschung voranbringen? Das tun sie bereits! Sie teilen mit uns Medizinern ihre Erfahrungen und Erwartungen und gestalten klinische Studienkonzepte aktiv mit.  Eine zukunftsweisende Medizin gelingt nur im Dialog zwischen Medizinern und Patienten.“

Sie hob hervor, dass Veranstaltungen wie der Onko-Talk NRW eine wichtige Brücke schlagen – zwischen Theorie und Alltag, zwischen Forschung und gelebter Erfahrung. In ihrer neuen Funktion möchte sie diesen Dialog noch stärker fördern. Besonders betonte sie: „Patientenbeteiligung ist kein Trend – sie ist eine Notwendigkeit.“

Einblicke aus erster Hand – Mut und Engagement von Patientinnen

Die ursprünglich vorgesehene Impulsgeberin Nicola Prasuhn, engagiertes Mitglied im Patientenforschungsrat des NCT West, musste krankheitsbedingt absagen. Ihre Gedanken wurden durch Sarah Majorczyk verlesen: Prasuhn, die selbst Krebspatientin ist, beschrieb, wie wichtig die Forschung für Ihre Behandlung war: „Wäre ich zehn Jahre früher erkrankt, gäbe es mich heute nicht mehr“. Sie plädierte eindringlich dafür, Patientinnen und Patienten als Experten ihrer eigenen Krankheit ernst zu nehmen.

Kristina Hardt, selbst vor Jahren an Hautkrebs erkrankt, berichtete von ihrer Erfahrung mit Selbsthilfegruppen. Sie sprach von der zentralen Rolle des Austauschs mit anderen Erkrankten: „Medizin hat mir das Überleben gesichert – aber Selbsthilfe hat mir das Leben geschenkt.“ Aus diesem Engagement entstand das durch Frau Hardt koordinierte Projekt Onko-Coaches bei dem ehemalige Patientinnen und Patienten ausgebildet werden, um anderen unterstützend zur Seite zu stehen – auch als Brücke zwischen Klinik und Lebensrealität.

Diskussionsrunde: Perspektiven auf Augenhöhe

In der anschließenden Podiumsdiskussion diskutierten:

  • Kristina Hardt, Patientin und Projektleiterin Onko-Coaches
  • Ina Brandes, Ministerin für Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen
  • Prof. Dr. Michael Hallek, Direktor des CIO Köln und Koordinator des Studienprogramms des Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen (NCT)
  • Prof. Dr. Martin Schuler, Stellv. Direktor Westdeutsches Tumorzentrum Essen (WTZ)

Gemeinsam beleuchteten sie Chancen, Herausforderungen und politische sowie strukturelle Rahmenbedingungen der Patientenbeteiligung.

Prof. Schuler betonte: „Patientinnen und Patienten bringen mehr mit als Daten – sie bringen ihre Werte, ihre Erfahrungen, ihre Hoffnungen.“
Die onkologische Forschung müsse sich daran orientieren, was Patientinnen und Patienten wirklich hilft   und welches Ziel für sie wichtig ist – nicht nur, was wissenschaftlich möglich ist.

Ministerin Ina Brandes stellte klar: „Für eine wirksame medizinische Forschung brauchen wir die Erfahrung von Patientinnen und Patienten.“
Sie hob hervor, dass Nordrhein-Westfalen mit seinen Unikliniken und vielen herausragenden Forschenden beste Voraussetzungen biete. Besonders wichtig sei ihr die „Verantwortung, das Vertrauen in die Wissenschaft wieder aufzubauen“, gerade nach der Corona-Pandemie.

Prof. Hallek warb für eine neue Haltung in der Forschung: „Zu viele Krebserkrankte können nicht geheilt werden, das motiviert mich, denn in der Forschung sehe ich die ärztliche Verpflichtung.“ Er räumte ein, dass besonders engagierte Patientinnen und Patienten finanziell unterstützt werden müssten – ohne dabei einen falschen Anreiz zu schaffen. Sein Fazit: „Man braucht kein Studium – nur Erfahrung und gesunden Menschenverstand.

Was brauchen Patientinnen und Patienten, um mitgestalten zu können?

Ein zentrales Thema der Diskussion war die Frage, wie Betroffene zu sogenannten „Patienten-Experten“ werden können. Dabei wurde auch über die Patienten-Experten-Akademie (PEAK) gesprochen – ein am NCT West in Essen angesiedeltes, bundesweites Fortbildungsangebot, das Patientinnen und Patienten methodisches Wissen vermittelt, um aktiv an Studien, Beratungsgremien oder Versorgungsprozessen mitzuwirken.

Moderatorin Majorczyk fragte kritisch: „Was müssen Patienten mitbringen – und ist der Begriff ‚Profi-Patient‘ überhaupt passend, wenn es sich oft um ehrenamtliches Engagement handelt?“ Die Antworten zeigten: Es geht nicht um Titel oder Bezahlung, sondern darum, die Patienten ernst zu nehmen und aktiv miteinzubeziehen Es geht um Respekt.

Publikumsfragen und persönliche Einblicke

In der anschließenden offenen Fragerunde kamen auch Zuschauerinnen und Zuschauer zu Wort. Besonders bewegend war der Beitrag von Helga Steves, einer Lungenkrebs-Patientin, die durch ihre berufliche Erfahrung als Röntgenassistentin ihren Tumor vor 12 Jahren selbst entdeckt hatte. Sie berichtete, wie sie ihre Krebserkrankung erlebte. „Es hilft ungeheuer, wenn man Unterstützung erfährt“, ein Plädoyer dafür, dass Betroffene zu Beteiligten werden und durch eine entsprechende Schulung ausgebildet sind, andere in dieser schweren Zeit zu begleiten. Das könnte sich Helga Stevens auch selbst gut vorstellen. Zudem fragte sie: „Wird es weiterhin Medikamente geben, die mir helfen?“ Die einstimmige Antwort von Prof. Hallek und Prof. Schuler lautete: „Ja.“

Was bleibt? – Der Blick in die Zukunft

Zum Abschluss bat Majorczyk die Runde um ein kurzes Statement zur Frage: „Worin müssen wir besser werden?“

Fazit: Patientenbeteiligung ist mehr als ein Trend – sie ist eine Notwendigkeit

Der Onko-Talk NRW machte eindrucksvoll deutlich: Patientinnen und Patienten wollen, können und sollen die Krebsmedizin aktiv mitgestalten. Ihre Erfahrungen bereichern die Forschung, verbessern die Versorgung – und stärken das Vertrauen in das Gesundheitssystem.

Beim abschließenden Get-Together wurden anregende Gespräche geführt.


Prof. Dr. Angelika Eggert, Ärztliche Direktorin und Vorstandsvorsitzende der Universitätsmedizin Essen:

„Mit der Krebsdiagnose beginnt ein Weg, der Mut, Kraft und viel Durchhaltevermögen erfordert. Als Onkologin habe ich viele Menschen auf diesem Weg begleitet – und gelernt: Die wahren Expertinnen und Experten für das Leben mit Krebs sind die Betroffenen selbst. Deshalb ist es mir nicht nur beruflich, sondern auch persönlich als Mensch und Onkologin wichtig, Patientinnen und Patienten aktiv in die Forschung einzubeziehen. Ihre Perspektive ist unersetzlich – nicht als Ergänzung, sondern als Bestandteil moderner Krebsmedizin.“

Ina Brandes, Ministerin für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen:

 „Erfolgreiche Krebsforschung gelingt nur gemeinsam mit Patientinnen und Patienten. Deshalb sollten wir alles daransetzen, sie dauerhaft und strukturell einzubinden. In Nordrhein-Westfalen haben wir schon sehr frühzeitig damit begonnen und können so mit personalisierter Medizin und dem Einsatz Künstlicher Intelligenz individuelle Therapien anbieten, die die Lebensqualität der Menschen erheblich steigern.“

Prof. Dr. Martin Schuler, Stellv. Direktor Westdeutsches Tumorzentrum Essen (WTZ):

 „Auch in der Krebsmedizin geht es nicht allein um Studien, Statistiken oder Therapieschemata – es geht vor allem darum, wie Patientinnen und Patienten mit der Erkrankung leben. Was wir brauchen, ist eine Forschung, die nicht am Schreibtisch endet, sondern bei den Menschen ankommt. Dafür ist es entscheidend, dass wir Patientinnen und Patienten nicht nur befragen, sondern wirklich einbinden – als gleichwertige Partner. Denn sie wissen am besten, was im Alltag funktioniert, welche Fragen unbeantwortet bleiben – und was Hoffnung bedeutet.“

Prof. Dr. Michael Hallek, Leiter des Centrums für Integrierte Onkologie Köln, Studienkoordinator des NCT:

„Patientinnen und Patienten bringen heute unverzichtbare Erfahrungen in die Krebsforschung ein. Es ist wichtig, sie nicht nur zu befragen, sondern von Anfang an aktiv einzubinden. Trotz großer Fortschritte sind derzeit rund 40 Prozent der Krebserkrankungen (noch) nicht heilbar – diese Zahl gilt es, kontinuierlich zu senken. Patientenbeteiligung ist ein zentraler Baustein, um die Forschung voranzutreiben und bessere Therapien zu entwickeln.“

Pressekontakt

Universitätsmedizin Essen
Julia Siegfried
Konzernkommunikation
Tel.: 0201/723-3157
julia.siegfried@uk-essen.de
www.uk-essen.de

Über die Essener Universitätsmedizin Die Essener Universitätsmedizin umfasst das Universitätsklinikum Essen sowie 15 Tochterunternehmen, darunter die Ruhrlandklinik, das St. Josef Krankenhaus Werden, die Herzchirurgie Huttrop und das Westdeutsche Protonentherapiezentrum Essen. Die Essener Universitätsmedizin ist mit etwa 1.700 Betten und rund 11.000 Mitarbeitenden das führende Gesundheits-Kompetenzzentrum des Ruhrgebiets. Mit dem Westdeutschen Tumorzentrum, einem der größten Tumorzentren Deutschlands, dem Westdeutschen Zentrum für Organtransplantation, einem international führenden Zentrum für Transplantation, in dem unsere Spezialisten mit Leber, Niere, Bauchspeicheldrüse, Herz und Lunge alle lebenswichtigen Organe verpflanzen, sowie dem Westdeutschen Herz- und Gefäßzentrum, einem überregionalen Zentrum der kardiovaskulären Maximalversorgung, hat die Universitätsmedizin Essen eine weit über die Region reichende Bedeutung für die Versorgung von Patientinnen und Patienten. Wesentliche Grundlage für die klinische Leistungsfähigkeit ist die Forschung an der Medizinischen Fakultät der Universität Duisburg-Essen mit ihrer Schwerpunktsetzung in Onkologie, Transplantation, Herz-Gefäß-Medizin, Immunologie/Infektiologie und Translationale Neuro- und Verhaltenswissenschaften.