Deine Rechte im Streik

Streiks sind zulässig!
Der Streik ist ein Grundrecht (Art. 9 Abs. 3 Grundgesetz) und das rechtmäßige Mittel zur Durchsetzung der Tarifforderung (BAG vom 12.09.1984 – 1 AZR 342/83). Dies gilt für Warnstreiks genauso wie für den Vollstreik. Der Streik ist immer das letzte Mittel, um berechtigte Forderungen der Gewerkschaften durchzusetzen; daher ist es gerade dann notwendig, dass möglichst alle zum Streik aufgerufene Arbeitnehmer sich am Streik beteiligen. Jede Kollegin und jeder Kollege – egal, ob gewerkschaftlich organisiert oder nicht – darf an einem (Warn)Streik teilnehmen. Der Arbeitgeber darf das nicht verhindern. Benachteiligungen wegen der (Warn)Streikteilnahme sind unwirksam. »Gewerkschaftliche Warnstreiks sind nach Ablauf der Friedenspflicht auch während noch laufender Tarifverhandlungen zulässig« (BAG v. 12.09.1984).

»Die Tarifvertragsparteien bestimmen selbst, wann die Verhandlungen ausgeschöpft sind« (BAG v. 21.06.1988). Die Teilnahme an einem rechtmäßigen Streik stellt keine Verletzung des Arbeitsvertrages dar. Maßregelungen durch den Arbeitgeber wegen der Teilnahme an einem Streik sind verboten. Der bestreikte Arbeitgeber darf deshalb dem / der streikenden Arbeitnehmer/in nicht kündigen. Nach Ende des Streiks besteht ein Anspruch auf Weiterbeschäftigung. Während des Streiks ruht das Arbeitsverhältnis. Der / die Arbeitnehmer/in braucht keine Arbeitsleistung zu erbringen. Ein Anspruch auf Arbeitsentgelt besteht für die Dauer des Streiks nicht.

Auch Auszubildende dürfen streiken!
Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts  dürfen auch Auszubildende streiken (BAG vom 12.9.1984 – 1 AZR 342/83). Sie können daher auch an einer Urabstimmung teilnehmen. Auch wenn Arbeitgeber immer wieder das Gegenteil behaupten, gilt nach BAG:
– auch für Auszubildende gilt das Grundrecht aus Artikel 9 Abs. 3 GG,
– der Arbeitgeber kann nicht erwarten, dass sich die Auszubildenden bei Streiks unsolidarisch verhalten,
– Ausbildungsbedingungen werden in Tarifverträgen geregelt, diese müssen notfalls erstreikt werden,
– Streikbeteiligung gefährdet grundsätzlich nicht den Ausbildungszweck.


Leiharbeitnehmer/innen sind keine Streikbrecher!
Auch wenn Arbeitgeber es gern anders hätten: Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer müssen in einem bestreikten Betrieb nicht arbeiten! Das sieht das »Arbeitnehmerüberlassungsgesetz« ausdrücklich vor. Dieses Gesetz gilt für alle Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, die von einer Arbeitnehmerverleih-Firma gewerbsmäßig anderen Unternehmen zur Arbeitsleistung überlassen werden. § 11 Absatz 5 dieses Gesetzes bestimmt unmissverständlich: »Der Leiharbeitnehmer ist nicht verpflichtet, bei einem Entleiher tätig zu sein, soweit dieser durch einen Arbeitskampf unmittelbar betroffen ist. In den Fällen des Arbeitskampfes nach Satz 1 hat der Verleiher den Leiharbeitnehmer auf das Recht, die Arbeitsleistung zu verweigern, hinzuweisen.« Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer haben deshalb im bestreikten Betrieb ein Leistungsverweigerungsrecht! Niemand ist verpflichtet, den im Betrieb streikenden Kolleginnen und Kollegen in den Rücken zu fallen und sich als Streikbrecherin oder Streikbrecher missbrauchen zu lassen. Ein Nachteil kann Leiharbeitnehmern, die von diesem gesetzlichen Leistungsverweigerungsrecht Gebrauch machen und die Arbeit nicht aufnehmen oder einstellen, nicht entstehen: Der Arbeitgeber muss Lohn oder Gehalt weiterzahlen! Oder für den Einsatz in einem anderen – nicht bestreikten – Betrieb sorgen.


Maßregelungsverbot!

Maßregelungen durch den Arbeitgeber wegen der Teilnahme am Streik sind verboten. Gegenteilige Behauptungen der Arbeitgeber sollen nur verunsichern. Sie sollen nur davon abhalten, das Recht nach Art. 9 Abs. 3 GG in Anspruch zu nehmen. (BAG vom 12.9.1984 – 1 AZR 342/83). Maßregelungen durch den Arbeitgeber wegen der Teilnahme am Streik sind verboten. Lassen Sie sich durch gegenteilige Behauptungen der Arbeitgeber und ihrer Vertreter nicht verunsichern. Sie wollen nur davon abhalten, das Recht in Anspruch zu nehmen.

Streikbrucharbeit verweigern!
Kein Mensch ist zum Streikbruch bzw. direkter Streikarbeit verpflichtet. Diese Arbeit kann nach ständiger Rechtsprechung des BAG verweigert werden. Die Ablehnung direkter Streikarbeit ist keine unberechtigte Arbeitsverweigerung. Eine berechtigte Verweigerung von Streikarbeit führt nicht zum Verlust des Arbeitsentgeltanspruchs, zumindest nicht, wenn die eigentlich geschuldete Arbeitsleistung trotz des Streiks erbracht werden kann (Urteil vom 10.9.1985 – 1 AZR 262/84). Streikbrecher/innen dürfen nicht bevorzugt werden. Das bedeutet: Jede auf dem Streikbruch beruhende Vergünstigung für Streikbrecher durch den Arbeitgeber steht auch den streikenden Kolleginnen und Kollegen zu.

Überstunden
Überstundenanordnungen aus Anlass der Teilnahme am Streik sind rechtswidrig und unwirksam. Eine Verpflichtung zur Nacharbeit der durch den Streik ausgefallenen Arbeitsstunden besteht nicht. Insoweit erforderliche Mehrarbeit bedarf im Übrigen der vorherigen Zustimmung des Personalrates gem. § 72 LPVG NW.

Notdienst
In Arbeitskämpfen darf die Geschäftsleitung nicht so genannte »Notdienstarbeiten« einseitig organisieren und einzelne Arbeitnehmer hierauf verpflichten (BAG vom 30.3.1982 – 1 AZR 265/80 und LAG Hannover vom 1.2.1980 – 2 Sa 110/79 sowie vom 22.10.1985 – 8 Sa 32/85). Die Regelung der Modalitäten eines arbeits-kampfbedingten Notdienstes ist zumindest zunächst gemeinsame Aufgabe des Arbeitgebers und der streikführenden Gewerkschaft (BAG vom 31.1.1995 – 1 AZR 142/94). Einseitig vorformulierte Unterwerfungserklärungen des Arbeitgebers sind nichtig. Notdienstarbeiten dürfen im Übrigen nur zur Erhaltung der Substanz des Eigentums, nicht jedoch zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes verlangt werden (BAG vom 30.3.1982 – 1 AZR 265/80). Notdienstvereinbarungen sind nur mit der ver.di-Streikleitung zulässig.

Urabstimmung
An einer möglichen Urabstimmung, zu der ver.di aufgerufen hat, dürfen nur Gewerkschaftsmitglieder teilnehmen. Unorganisierte Kolleginnen und Kollegen können daher über Streikmaßnahmen nicht mit(be)stimmen.

Protestkundgebungen
Jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer hat auch während des (Warn-) Streiks das Recht, an Protestkundgebungen teilzunehmen (z.B. vor den bestreikten Betrieben). Falls es bei den Protestkundgebungen / Streikaktionen zu Problemen mit der Polizei kommen sollte: Keine Angaben zu der Sache an sich machen! Immer an die örtliche ver.di-Arbeitskampfleitung verweisen. Es müssen nur Angaben zur Person gemacht werden! Wenn es nötig sein sollte, erhält die Kollegin/der Kollege kompetenten Rechtsschutz durch ver.di.

Streikunterstützung
Die ausgefallenen Arbeitsstunden während des Streiks werden in der Regel vom Arbeitgeber nicht bezahlt. Auch das Arbeitsamt zahlt in dieser Zeit nicht. ver.di zahlt ihren Mitgliedern (und nur den Mitgliedern) während der Streikteilnahme Streikunterstützung. Unorganisierte Kolleginnen und Kollegen erhalten während des Streiks weder Lohn noch Arbeitslosengeld. Sie stehen somit ohne gewerkschaftliche Unterstützung da. Auch einer der vielen Gründe, Mitglied bei ver.di zu werden. Den Mitgliedern der ver.di wird vom ersten Streiktag an Streikunterstützung bezahlt. Gleiches gilt bei Aussperrung und Maßregelung. Die Unterstützung wird ver.di-Mitgliedern gewährt, die mindestens 3 Monate Mitglied der ver.di sind und den satzungsgemäßen Beitrag entrichtet haben.

Höhe der Unterstützung
Die Berechnung der Unterstützung erfolgt in der Regel nach dem Durchschnitt der in den letzten 3 Monaten vor Beginn des Arbeitskampfes entrichteten Beiträge. Die Unterstützung für jeden vollen Arbeitstag (Schicht), für den kein Lohn bzw. keine Vergütung gezahlt wird, beträgt das 2,5fache des Monatsbeitrags. Bei einer Mitgliedschaft unterhalb von einem Jahr beträgt die Unterstützung das 2,2fache des Beitrags. Auch Teilzeitbeschäftigte erhalten Streikunterstützung, wenn sie am Streiktag zur Arbeit eingeteilt sind. Die Unterstützung für jeden vollen Arbeitstag (Schicht), für den kein Lohn bzw. keine Vergütung gezahlt wird, erhöht sich um 2,50 Euro für jedes kinder-geldberechtigte Kind. Auf die gewährte Unterstützung sind Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung oder anderer Sozialversicherungsträger voll anzurechnen. Mitglieder, denen nachträglich Arbeitsentgelt (Lohn, Gehalt, Ausbildungsvergütung) gezahlt wurde, sind verpflichtet, die Unterstützung unverzüglich zurückzuzahlen. Mitglieder, die innerhalb eines Jahres nach Erhalt der Unterstützung aus ver.di austreten, müssen die erhaltene Unterstützung in voller Höhe zurückzahlen. Mitglieder, die bei einem von der Gewerkschaft ausgerufenen Streik Streikbrecherarbeiten leisten und infolgedessen ausgeschlossen werden, müssen ebenfalls die gewährte Unterstützung zurückzahlen.

Personalrat und Arbeitskampf
Während des Streiks stehen dem Personalrat unverändert die Personalverfassungsrechtlichen Beteiligungsrechte zu. Der Personalrat als solches muss zwar im Arbeitskampf neutral bleiben, aber die Personalratsmitglieder dürfen wie jede Arbeitnehmerin oder jeder Arbeitnehmer am Arbeitskampf teilnehmen.

Solidaritätsstreiks …
… sind auch nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zulässig! Normalerweise hält das Bundesarbeitsgericht entgegen früherer Rechtsprechung Streiks nur gegen Arbeitgeber für zulässig, die unmittelbar an der Tarifrunde beteiligt sind (Urteil vom 5.3.1985 – 1 AZR 468/83). In demselben Urteil stellt das Bundesarbeitsgericht aber auch klar: Solidaritätsstreiks gegen Dritte, nicht unmittelbar an der Tarifrunde beteiligte Arbeitgeber, zur Unterstützung des Hauptarbeitskampfes sind in bestimmten Fällen zulässig: wenn der Arbeitgeber zuvor seine »Neutralität« im Hauptarbeitskampf verletzt hat, z.B. durch Übernahme von Streikbrucharbeiten oder durch Produktionsverlagerung, wenn der Arbeitgeber zwar rechtlich selbstständig, wirtschaftlich gesehen aber wie ein Betriebsteil des im Arbeitskampf befindlichen Unternehmens ist, wenn die wirtschaftliche Verbindung so eng ist, dass es sich um ein und denselben sozialen Gegenspieler handelt, der Arbeitgeber also nicht als außen stehender Dritter angesehen werden kann. Das BAG weist ausdrücklich darauf hin, dass diese Aufzählung nicht abschließend ist.

Krankenversicherungsschutz bei Beginn des Arbeitskampfes
Nach dem Sozialgesetzbuch V (SGB V) besteht die Mitgliedschaft Versicherungspflichtiger, die an einem rechtmäßigen Arbeitskampf teilnehmen, bis zur Beendigung des Arbeitskampfes ohne Beitragszahlung fort, und zwar ohne zeitliche Begrenzung. Dies gilt auch für kalt Ausgesperrte. Diese Vorschrift gilt in der Pflegeversicherung entsprechend. Pflichtversichert sind Arbeiter, Arbeiterinnen, Angestellte und zu ihrer Berufsausbildung Be-schäftigte mit einer Vergütung unterhalb der jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze der Krankenversicherung (2005: West 5.200 Euro monatlich bzw. 62.400 Euro jährlich und Ost 4.400 Euro monatlich bzw. 52.800 Euro jährlich). Freiwillig Versicherte, also Arbeiter, Arbeiterinnen und Angestellte, die in der GKV versichert sind und deren Arbeitsentgelt über der Krankenversicherungsbeitragsbemessungsgrenze liegt, bleiben ohne Rücksicht auf Beginn und Dauer eines Arbeitskampfes bei der bisherigen Kasse versichert. Anders als bei Pflichtversicherten besteht für diesen Personenkreis Beitragspflicht für die Dauer des Arbeitskampfes.

Aussperrung
Während des Arbeitskampfes kann es dazu kommen, dass die Arbeitgeber aussperren. Dabei darf der Arbeitgeber nicht zwischen Streikenden und Streikbrechern unterscheiden. Aber auch dann haben die Mitglieder der ver.di Anspruch auf Streikunterstützung. Da die Arbeitgeber aufgrund ihrer wirtschaftlichen Machtposition keines gesonderten Arbeitskampfmittels bedürfen, halten die Gewerkschaften die Aussperrung politisch und juristisch für unzulässig. Die Aussperrung als Willkürmittel der Arbeitgeber ist ein Angriff auf die Existenz und Menschenwürde jedes Ausgesperrten. Sie zielt auf die finanzielle Ausblutung der Gewerkschaften. Die Rechtsprechung hat unter dem Aspekt, die (scheinbare) Verhandlungsparität zwischen Arbeitgeber und Gewerkschaften zu gewährleisten, die Aussperrung unverständlicherweise nicht verboten, ihre Anwendung jedoch beschränkt.

Wird in einem Tarifgebiet (entscheidend ist der Geltungsbereich des Tarifvertrages) gestreikt, so darf die so genannte heiße Aussperrung ebenfalls nur davon betroffene Arbeitnehmer erfassen. Zum Verhältnis von Streikenden zu Ausgesperrten wurde vom BAG eine so genannte Aussperrungsarithmetik entwickelt. Danach ist eine Aussperrung dann unzulässig, wenn bereits 50 Prozent der Arbeitnehmer eines Tarifgebietes zum Streik aufgerufen wurden. Erfasst der gewerkschaftliche Streikaufruf 25 Prozent oder weniger Arbeitnehmer des Tarifgebietes, so wird der Umfang der Aussperrung auf weitere 25 Prozent der betroffenen Arbeitnehmer beschränkt.

Anweisungen der Streikleitung
Um einen reibungslosen, ordnungsgemäßen und erfolgreichen Ablauf des Streiks zu gewährleisten, haben sich alle Kolleginnen und Kollegen an die Anweisungen der Streikleitung zu halten. Wirksamkeit und Erfolg des Streiks hängen vom persönlichen Einsatz jeder Arbeitnehmerin bzw. jedes Arbeitnehmers ab. Über das Ende bzw. die Unterbrechung des Streiks entscheidet die Streikleitung.