Tumoren des Pankreas
AUTOREN
PD Dr. Harstrick, Prof. Dr. Niebel, Prof. Dr. Oldhafer
PD Dr. Rünzi, Prof. Dr. Sauerwein, Dr. Willborn
I. Tumorentität (nach WHO 1996)
Tumortyp histolog. Verschlüsselung
(ICD-O-M)
Borderline Muzinöser zystischer Tumor mit mäßiger Dysplasie
Intraduktaler papillär-muzinöser Tumor mit mäßiger Dysplasie
Solid-pseudopapillärer Tumor
Maligne Schwere duktale Dysplasie/Carcinoma in situ
Duktales Adenokarzinom
Muzinöses nicht zystisches Karzinom
Siegelringzellkarzinom
Adenosquamöses Karzinom
Undifferenziertes anaplastisches Karzinom
Gemischtes duktal-endokrines Karzinom
Osteoklasten-artiger Riesenzelltumor
Seröses Zystadenokarzinom
Muzinöses Zystadenokarzinom
Intraduktales papillär-muzinöses Karzinom
Azinuszellkarzinom
Azinuszell-Zystadenokarzinom
Gemischt azinär-endokrines Karzinom
Pankreatoblastom
Solid-pseudopapilläres Karzinom
Verschiedene Karzinome
II. Pathologie · Über 90 % der Pankreastumoren stellen Adenokarzinome mit duktalem Phenotyp dar. Neuroendokrine Tumoren und Azinuszellkarzinome repräsentieren ca. 2 ? 5 % aller Pankreastumoren.
- Lokalisation: Pankreaskopf (bis zum linken Rand der V. mesenterica sup.) 70 %; Pankreaskorpus (linker Rand der V. mesenterica sup. bis linker Rand Aorta) 20 %; Pankreasschwanz (links der Aorta) 10 %
- Karzinom der Ampulla Vateri, distales Choledochuskarzinom und Duodenalkarzinom werden abgegrenzt.
- Ausbreitung: Frühzeitige Invasion des peripankreatischen Gewebes. Häufig Invasion der großen Gefäße (V. portae, V. mesenterica sup., A. mesenterica sup.). Prognostisch ungünstig ist die perineurale Infiltration. Die intrakanalikuläre Ausbreitung des Ductus pancreaticus beträgt meist weniger als 2 cm.
III. TNM-Klassifikation und Stadieneinteilung T Primärtumor
TX Primärtumor kann nicht beurteilt werden
T0 Kein Anhalt für Primärtumor
Tis Carcinoma in situ
T1 Tumor beschränkt auf das Pankreas, 2 cm oder weniger im größten Durchmesser
T2 Tumor beschränkt auf das Pankreas, größer als 2 cm im größten Durchmesser
T3 Tumor erstreckt sich direkt in Duodenum, D. choledochus oder peripankreatisches
Gewebe1
T4 Tumor erstreckt sich direkt in Magen, Milz, Kolon oder benachbarte große Gefäße2
Anmerkungen:
- Peripankreatisches Gewebe umfasst das umgebende retroperitoneale Fettgewebe (retroperitoneales Weichgewebe oder retroperitonealer Raum), eingeschlossen Mesenterium (mesenteriales Fett), Mesokolon, großes und kleines Netz und Peritoneum. Direkte Invasion der Gallengänge und des Duodenums schließt Befall der Ampulla Vateri ein
- Benachbarte große Gefäße sind die Pfortader, der Truncus coeliacus und die A. mesenterica superior sowie die A. hepatica
N Regionäre Lymphknoten
NX Regionäre Lymphknoten können nicht beurteilt werden
N0 Keine regionären Lymphknoten-Metastasen
N1 Regionäre Lymphknoten
N1a Metastase in einem einzelnen Lymphknoten
N1b Metastasen in multiplen regionären Lymphknoten
Anmerkung:
Die Kategorie pN= und pN1a setzt voraus, dass das untersuchte Lymphadenektomiepräparat 10 oder mehr Lymphknoten enthält.
Regionäre Lymphknoten:
Regionäre Lymphknoten sind die peripankreatischen Lymphknoten, die unterteilt werden können in:
Superior: oberhalb von Kopf und Körper
Inferior: unterhalb von Kopf und Körper
Anterior: vordere pankreatiko duodenale, pylorische und proximale mesenteriale Lymphknoten
Posterior: hintere pankreatico duodenale Lymphknoten, Lymphknoten am Ductus choledochus und proximale mesenteriale Lymphknoten.
Lienal: Lymphknoten am Hilus der Milz und um den Pankreasschwanz
Zoeliacal: für Tumoren des Kopfes
M Fernmetastase
Stadiengruppierung
Stadium T N M
0 Tis N0 M0
I T1 N0 M0
T2 N0 M0
II T3 N0 M0
III T1-3 N1 M0
IVA T4 jedes N M0
IVB jedes T jedes N M1
Grading
Das Grading korreliert mit der Mitosezahl pro 10 ?high power fields?. Bei unterschiedlich differenzierten Arealen innerhalb eines Tumors ist der am schlechtesten differenzierte Abschnitt für die Graduierung maßgeblich.
G1 gut differenziert (< 5 Mitosen)
G2 mäßig differenziert (6-10 Mitosen)
G3 gering differenziert (> 10 Mitosen)
IV. Diagnostik
Allgemein:
- Typische Leitsymptome oder spezifische Frühsymptome fehlen
- Schmerzen häufig bei fortgeschrittenen Tumoren als Folge der Infiltration des Retroperitoneums und des Plexus solaris
- Ikterus ist häufig ein Spätsymptom
- Problem der Abgrenzung zur chronischen Pankreatitis
Sonographie (inklusive Endosonographie):
- Wichtigste Untersuchung, erste diagnostische Maßnahme
- Die Endosonographie (EUS) ist für das Staging des Tumors additiv zum KM-CT oder ggf. Hydro-CT einzusetzen. Die EUS ist insbesondere zur Diagnose kleiner Tumoren < 1,2 cm der CT-Technik überlegen. Für die N- und M-Stadien ist die CT-Technik der EUS überlegen. Ein Vorteil der EUS ist die Möglichkeit der Punktion der Raumforderung durch den Magen oder durch das Duodenum. Nachteil der EUS ist jedoch die große Abhängigkeit von der Erfahrung des Untersuchers, sowie die oft geringe Ausbeute bei der Punktion. Bislang sind nur zytologische Untersuchungen der Biopsien möglich.
Tumormarker:
- CA 19-9: nicht spezifisch, auch bei akuter und chronischer Pankreatitis sowie bei Cholangitiden und Hyperbilirubinämien erhöht. Verlaufsparameter nach Therapie
- CEA: nicht spezifisch, niedrigere Sensitivität als CA 19-9
- CA 125: in Verbindung mit CA 19-9 hohe Aussagesicherheit
Computertomographie / NMR:
- Spiral-CT gilt als wichtigste Methode zum Nachweis und Staging (Hydro-Spiral-CT)
- MR ist möglicherweise dem CT überlegen (kontrollierte Studien stehen noch aus)
Dünnschicht-CT-Angiographie, MR-Angiographie oder Spiral-CT müssen technisch so durchgeführt sein, daß der Verlauf der V. portae, der A. mesenterica superior und der Äste des Truncus coeliacus hinsichtlich einer möglichen Verdrängung durch den Tumor oder einer Gefäßinfiltration beurteilbar sind.
ERCP:
- Hoch sensitive Methode zum Nachweis duktaler Karzinome (Verlust von Seitenästen, Gangabbruch, irregulär geformte Stenosen oder Tumorzerfallshöhlen)
- Zytologische Analyse von Zellproben möglich
Angiographie:
Angiographie, sofern im CT der Verdacht der Gefäßinfiltration besteht und die Gefäßdurchgängigkeit nicht eindeutig beurteilt werden kann (im übrigen auch zur Abklärung von Normvarianten der Leberarterie).
Laparoskopie:
- Ausschluß einer Peritonealcarcinose
- Detektion kleinerer, oberflächlich gelegener Lebermetastasen möglich
- Peritoneallavage für Zytologie
Histologie / Zytologie:
- Feinnadel-Zytologie: nicht immer erfolgreich, Gefahr der Tumorzellverschleppung (< 1 %)
- Wichtig ist die Klärung der Resektabilität und die histologische / zytologische Diagnosesicherung zur Durchführung von neoadjuvanten Therapien und Therapien bei nicht resektablen Tumoren
In der chirurgischen Literatur ist der Wert der präoperativ durchgeführten perkutanen Feinnadelbiopsie zur histologischen Sicherung der Diagnose Pankreaskarzinom umstritten, u. a. wegen der Möglichkeiten der Komplikationen (Pankreatitis), der Möglichkeit der Absiedlung von Karzinommetastasen im Punktionskanal und der höchst unterschiedlichen Angaben zur Aussagefähigkeit dieser Methode (Probenfehler, Interpretationsfehler). Trotzdem bleibt die Notwendigkeit, präoperativ die Malignität zu sichern, falls im Rahmen einer stadiengerechten Therapie interdisziplinäre Maßnahmen, insbesondere eine neoadjuvante Radio-Chemotherapie durchgeführt werden sollen. In erfahrener Hand ergibt die sonographisch, aber auch die computertomographisch gesteuerte perkutane Feinnadelbiopsie des Pankreaskopftumors eine Sicherung der Diagnose in bis zu 95 % der Fälle.
Die Notwendigkeit der Diagnosesicherung ergibt sich auch in der palliativen Situation, falls keine Operation, sondern eine Radiochemotherapie durchgeführt werden soll.
V. Therapie
Siehe Leitlinien zur Therapie des exokrinen Pankreaskarzinoms (G73) der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie
a) Kurative Therapieansätze
Operative Therapie unter kurativer Zielsetzung
Ziel ist die Tumorentfernung im Gesunden (RO), einschließlich des regionären Lymphabflussgebietes. Nur wenn dieses Ziel erreichbar erscheint, sollte die Operation erfolgen. Das Ausmaß der Resektion erfolgt nach der Lokalisation des Tumors. Es sollte ein makroskopischer Sicherheitsabstand von 2 cm angestrebt werden. Der Resektionsrand sollte im Schnellschnitt überprüft werden. Bei Tumorbefall des Resektionsrandes erfolgt eine Nachresektion oder die totale Pankreatektomie. Bei umschriebenem Befall der V. mesenterica superior oder der Pfortader kann im Einzelfall eine Gefäßresektion indiziert sein, um eine R0-Resektion zu erzielen. Bei ausgeprägter Cholestase (Bilirubin > 20 mg%) kann eine präoperative Drainage erfolgen (endoskopische Stenteinlage oder perkutane transhepatische Drainage).
Kontraindikationen:
- nachgewiesene Fernmetastasen (einschließlich Metastasen in nicht-regionären Lymphknoten)
- großflächige, tiefgreifende retroperitoneale Infiltration
- ausgedehnte Infiltration der Mesenterialwurzel
Operationsverfahren:
Kopf Partielle Duodenopankreatektomie nach Kausch-Whipple
Lymphadenektomie der 1. Station
Kopf +Corpus Subtotale Duodenopankreatektomie mit Durchtrennung des Pankreas
am linken Rand der Aorta.
Lymphadenektomie der 1. Station
Schwanz Entfernung des Schwanzes und eines Teiles des Corpus mit Durchtrennung des Pankreas am rechten Rand der Aorta
Lymphadenektomie der 1. Station, Splenektomie
Schwanz + Corpus Entfernung des Schwanzes und des gesamten Corpus, ggf. auch von Teilen des Kopfes
Lymphadenektomie der 1. Station, Splenektomie
Gesamtes Pankreas Totale Pankreatektomie
Lymphadenektomie der 1. Station, Splenektomie
Adjuvante / additive Therapie:
Zwei randomisierte Studien nach R0-Resektion (allerdings bei begrenzter Patientenzahl) zeigten einen Überlebensvorteil bei adjuvanter Therapie, so dass eine adjuvante Radiochemotherapie empfohlen werden kann. Auch nach R1-Resektion sollte eine Radiochemotherapie erwogen werden.
Zentrumseigene Konzepte/Studien
Intraoperative Radiotherapie (IORT)
Die IORT wird nach RO/R1-Resektion vor der Rekonstruktion eingesetzt. Nach der IORT sollte innerhalb von 4 Wochen eine adjuvante postoperative Radiatio mit Chemotherapie erfolgen. Sollte sich bei der Operation die Inoperabilität herausstellen, ist eine IORT in palliativer Intension sinnvoll. Meist kann dann auf eine postoperative Radiochemotherapie verzichtet werden.
Neoadjuvante Therapie:
Der Wert einer neoadjuvanten systemischen Behandlung in Kombination mit einer lokalen Bestrahlung ist bei Patienten mit technisch oder prognostisch inoperablem Pankreaskarzinom bislang durch randomisierte Studien nicht belegt. Es erfolgt eine klinisch kontrollierte Studie bei lokal fortgeschrittenem Pankreaskarzinom (UICC II-IV).
b) Palliative Therapieansätze
Bei inoperablen Tumoren ohne Lebermetastasierung sollte eine palliative Radiochemotherapie erfolgen. Bei einer Fernmetastasierung, insbesondere bei Lebermetastasen, muss eine palliative Chemotherapie erwogen werden. Auch in dieser Situation kann bei Schmerzen eine palliative Radiatio des Pankreastumors erfolgen. Bei einem Ikterus ist eine biliodigestive Anastomose indiziert, wenn bei der operativen Exploration die Inoperabilität des Tumors festgestellt wurde. Liegt eine Magenausgangsstenose vor, kann eine Gastroenterostomie indiziert sein, die konventionell (evtl. in Kombination mit der biliodigestiven Anastomose) oder laparoskopisch angelegt werden kann.
VI. Nachsorge
- Keine kurativen Ansätze zur Behandlung des Rezidivs vorhanden
- Ziel ist die Erkennung und Behandlung sekundärer Folgen wie Einstellung einer exokrinen oder endokrinen Pankreasinsuffizienz
- Im 1. Jahr vierteljährlich, später halbjährlich (klinische Untersuchung, Gewichtskontrolle, kleines Blutbild, Anamnese, Sonographie, Röntgen-Thorax)