Immunhämatologie


Transfusionsmedizin: Lehre von der Übertragung von Blut oder Blutbestandteilen zu therapeutischen  Zwecken.

 

Eine Transfusion stellt eine „Transplantation von Zellen“ mit Immun-Modulation, -Stimulation, und -Suppression dar; es ist eine ärztliche Maßnahme (persönliche Einleitung, Überwachung, Identitätssicherung). Es handelt sich um ein „Arzneimittel“ mit Rezeptierpflicht und Herstellungsgenehmigung.

 

Die immunhämatologische Diagnostik umfasst die Untersuchung des Spenderblutes und des Patientenblutes, außerdem die serologische Verträglichkeitsprüfung.

 

Im Idealfall sollen aus einer nur zu diesem Zweck erfolgten Blutentnahme die Blutgruppenbestimmung und der Antikörpersuchtest erfolgen. Mit der Probe aus einer zweiten, getrennten  Blutentnahme wird die serologische Verträglichkeitsprobe (Kreuztest) durchgeführt. Die Kreuzprobe hat ab dem Entnahmezeit-

punkt nur für 72 Stunden Gültigkeit, da bei vorimmunisierten Patienten (auch bei fraglicher Transfusions- und Schwangerschaftsanamnese) es zu kurzfristiger Antikörperbildung (Boostereffekt) kommen kann. Nach spätestens drei Tagen muss der Kreuztest mit einer frisch entnommenen Empfängerprobe wiederholt werden. Dies gilt auch für bereits verträglich befundete Erythrozytenkonzentrate (Rili. 4.2.5.9).

 

Um Verwechslungen der Proben auszuschließen wird unmittelbar vor der Transfusion der Bedside-Test (AB0-Identitätstest) durchgeführt (Rili. 4.2.3).

 

Die Wahl der Untersuchungsmethoden ist unter Berücksichtigung des aktuellen Wissensstandes zu treffen (Rili. 4.2.5).

 

Bei den blutgruppenserologischen Untersuchungen werden die genetisch determinierten Antigene auf den Blutzellen mithilfe von korrespondierenden Antikörpern sichtbar gemacht. Inzwischen sind über 600 verschiedene Blutgruppenmerkmale in mehr als 20 Blutgruppen-systemen bekannt, die auf oder in den Membranen der verschiedenen Blutzellen liegen.

 

Das bekannteste und wichtigste Blutgruppensystem ist das seit 1901 bekannte AB0-System mit den Blutgruppen A, B, AB und 0. Die Antigene sind Oligosaccharidketten, die außer auf den Erythrozyten

auch auf nahezu allen Körperzellen nachweisbar sind. Eine Besonderheit des AB0-Systems sind die

obligat vorhandenen Isoagglutinine, „natürlich“ vorkommende IgM-Antikörper mit dem Reaktionsoptimum im salinen Milieu bei niedrigen Temperaturen, die bei Fehltransfusionen durch komplette Aktivierung der Komplementkaskade zu schweren intravasalen hämolytischen Transfusionsreaktionen führen können. Erythrozyten der Blutgruppe 0 tragen auf ihrer Oberfläche keine Antigene des AB0-Systems und sind daher im Allgemeinen für nahezu alle Patienten geeignet.

 

Die Antigene des Rh(esus)-Systems sind Polypeptide, die am Aufbau des Membranskeletts der Erythrozyten beteiligt sind und nur auf den Erythrozyten vorkommen. Man kennt heute über 50 verschiedene Antigen-Varianten, die durch die Gene RHD und RHCE kodiert werden. Das Antigen D

hat die größte Immunogenität aller Blutgruppenmerkmale und führt mit großer Wahrscheinlichkeit zur Antikörperbildung. Die Antikörper des Rhesus-Systems sind meist Immunantikörper vom IgG-Typ und

nach Antigenkontakt entstanden. Rhesus-negative Patienten sollten nur Rhesus-negatives Blut erhalten.

Dies gilt besonders für Mädchen und Frauen im gebärfähigen Alter. Ist wegen Konservenmangels eine Rh-positive Transfusion unvermeidlich, sollte der transfundierende/weiterbehandelnde Arzt nach 2-4 Monaten einen Antikörpersuchtest zur Feststellung eventuell gebildeter Anti-D- (und anderer) -Antikörper veranlassen (Rili. 4.3.5).

 

Andere für Bluttransfusionen bedeutsame Blutgruppensysteme mit entsprechendem Polymorphismus in der weißen Bevölkerung sind das Kell(K)-, das Duffy(Fy)-, das Kidd(Jk)-, das MNSs- und das Lewis(Le)-System.

 

Eine Notfalltransfusion ohne die entsprechenden Voruntersuchungen setzt eine vitale Gefährdung des Patienten voraus, das erhöhte Risiko trägt der transfundierende Arzt

(Rili. 4.3.9).

 

Liegen bei dem Patienten Autoantikörper (z.B. bei hämolytischer Anämie) oder Störungen des Komplementsystems (z.B. durch bestimmte Medikamente) vor, sind die Techniken des Kreuztests nicht sicher zur Überprüfung der in-vivo-Verträglichkeit geeignet. In diesen Fällen kann man mit der „biologischen Vorprobe“ nach Oehlecker die Reaktionsbereitschaft des Organismus testen. (Zur Kontrolle auf Verträglichkeit transfundierte Oehlecker dem Empfänger rasch eine gewisse Menge (ca. 10 - 20 ml) Blut, danach folgt ein langsames Weitertropfen. Während der nächsten 10-20 Minuten wird beim Patienten auf Zeichen einer Unverträglichkeitsreaktion (Gesichtsrötung, Unruhe, Übelkeit, später evtl. ausgeprägte Schocksymptome) geachtet.

 

Transfusionsreaktionen jeder Art (insbesondere hämolytische vom akuten oder verzögerten Typ) sind dem Institut für Transfusionsmedizin schriftlich unter Angabe des verantwortlichen/transfundierenden Arztes zu melden (Rili 4.5.).

 

Verzeichnis der Abkürzungen.:

Rili: Richtlinien zur Gewinnung von Blut und Blutbestandteilen und zur Anwendung von Blutprodukten (Hämotherapie); aufgestellt gemäß Transfusionsgesetz von der Bundesärztekammer im Einvernehmen mit dem Paul-Ehrlich-Institut (Änderungen und Ergänzungen 2007)

 

Text Unterzeichnet mit Henneberg-Quester