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Behandlungsempfehlungen für das Nierenkarzinom

(eine ausführliche Darstellung, nicht unbedingt für Patienten geeignet, finden Sie unter Verfahrensanleitungen).

 

Diagnostik

Risikofaktoren sind Rauchen, übergewicht chronische Niereninsuffizienz, von Hippel-Lindau`sche Krankheit, positive Familienanamnese und Tuberöse Sklerose.

 

Die meisten Nierenzellkarzinome werden anlässlich einer abdominellen Ultraschalluntersuchung oder Computertomographie diagnostiziert.

Durch den ubiquitären Einsatz der Sonographie werden die meisten Tumoren heute in einem frühen Stadium entdeckt.

 

Patienten mit erhöhtem Nierenkarzinom-Risiko können als Zielgruppe für ein sonographisches Untersuchungsprogramm erwogen werden (Tabelle 1).

 

Klassifikation

Solide Tumoren der Niere sind überwiegend (95%) Nierenzellkarzinome.

 

Einteilung des Nierenkarzinoms, TNM-Klassifikation (UICC 2002)

T

Primärtumor

T1

Tumor <7 cm

T2

Tumor >7 cm

T3

Tumor breitet sich in größeren Venen aus oder infiltriert Nebenniere oder perirenales Gewebe, jedoch nicht jenseits der Gerota-Faszie

T4

Tumor infiltriert über die Gerota-Faszie hinaus

 

N

Regionäre Lymphknoten

N0

Keine regionären Lymphknotenmetastasen

N1

Metastase(n) in solitärem regionärem Lymphknoten

N2

Metastase(n) in mehr als einem regionären Lymphknoten

 

M

Fernmetastasen

M0

keine Metastasen

M1

Fernmetastasen

Diagnostik

Laboruntersuchungen

Der Harn wird auf rote und weisse Blutkörperchen durch Sedimentuntersuchung oder Teststreifen untersucht.

Das Serumkreatinin dient als Parameter für die globale Nierenfunktion speziell vor bildgebenden Verfahren mit Kontrastmittelgabe (Urographie und CT) und geplanter Nephrektomie. Hinweis auf Skelettmetastasen kann eine erhöhte alkalische Phosphatase sein. Eine Hyperkalziämie wird in Verbindung mit paraneoplastischen Manifestationen beobachtet.

 

Sonographie

Im Vergleich zur Echogenität des gesunden Nierenparenchyms können Nierenzellkarzinome echoarm, echoreich oder isoechogen sein, sie fallen dabei durch inhomogene Echotextur auf. Unkomplizierte Zysten lassen sich sonographisch in der Regel gut vom RCC abgrenzen. Bei komplizierten Zysten, die dickwandig, unregelmäßig und septiert sind, ist die Differentialdiagnose schwierig. Hier muß die Möglichkeit eines Zystenwandkarzinoms in Betracht gezogen werden.

 

        

 

Die Sensitivität der Sonographie zur Entdeckung von malignen Tumoren wird mit bis zu 96% angegeben. Die deutlich geringere Spezifität ist durch die morphologische überschneidung mit Hämatomen, Zysten oder Abszessen bzw. problematischer Interpretation der Echotextur bedingt.

Zur Beurteilung einer Tumorinvasion in die Nierenvene bzw. Vena cava eignet sich auch die farbkodierte Duplexsonographie. Liegt der Verdacht auf eine atriale Tumorthrombusbildung vor, bieten sich zusätzlich die transoesophageale Sonographie oder Echokardiographie zur Diagnostik an.

 

Computertomographie (z.B. Spiral-CT)

Die CT ist das wesentliche Verfahren zur differentialdiagnostischen Abklärung renaler Raumforderungen, wobei gleichzeitig die Funktionstüchtigkeit der kontralateralen Niere dokumentiert, wird ebenso zur Darstellung von vergrößerten Lymphknoten und zum Nachweis eines venösen Tumorthrombus eingesetzt. Der computertomographische Nachweis von Fett (Houndsfield-Einheiten unter 0) ist typisch für das Angiomyolipom.

Bei entsprechender klinischer Symptomatik kann ein CT des Schädels oder des Thorax zum Ausschluss einer intrakraniellen bzw. intrathorakalen Metastasierung sinnvoll sein.

 

        

 

Magnetresonanztomographie (MRT)

Die MRT ist das Verfahren der Wahl bei Patienten mit Kontrastmittelallergie und bei Niereninsuffizienz. Die MRT ist der CT bei der Differentialdiagnose der soliden renalen Raumforderung nicht überlegen.

 

        

 

Die weitere bildgebende Diagnostik dient dem Ausschluss von Fernmetastasen. Routinemäßig wird dazu eine Röntgenuntersuchung des Thorax durchgeführt.

 

Eine Skelettszintigraphie sollte nur symptomorientiert zur Anwendung kommen, um Knochenmetastasen nachzuweisen.

 

Gelingt in seltenen Fällen durch bildgebende Verfahren keine eindeutige Diagnose, sind die operative Freilegung und ggf. Schnellschnittdiagnostik angezeigt. Bei Vorliegen typischer bildgebender Befunde ist die Feinnadelbiopsie nicht indiziert. Die iatrogene Aussaat von Tumorzellen im Punktionskanal ist beschrieben.

 

Histopathologische Diagnostik

Papilläre Nierenzellkarzinome und chomophobzellige Karzinome (bzw. chomophobe Nierenzellkarzinome der Mainz-Klassifikation) sind, auch unter Mitberücksichtigung von Malignitätsgrad und Tumorgröße, prognostisch günstiger als Klarzellkarzinome.

 

Onkozytom

Onkozytome (Nachweis durch Halesche Färbung, ggf. Zytogenetik) werden heute als benigne Tumoren aufgefasst wenngleich sie u.U. beträchtliche Größe erreichen und klinisch als maligne Nierenparenchymtumoren imponieren können.

 

Das in der WHO-Klassifikation empfohlene Grading der Nierenzellkarzinome berücksichtigt einerseits die zelluläre Anaplasie (G1: geringster Grad der Anaplasie, der mit Malignität vereinbar ist; G3: schwere zelluläre Anaplasie; G2: dazwischen liegend), andererseits die Kerngröße in gleicher Weise wie die Mainz-Klassifikation.

 

Therapie

 

Lokal begrenztes Nierenzellkarzinom

 

Tumornephrektomie

Hohe Heilungsraten können bei den auf die Nieren begrenzten Karzinomen (T1/T2) erreicht werden. Höhere T-Kategorien haben ein höheres Progressionsrisiko und lymphknotenpositive Tumoren haben ebenso wie solche mit Fernmetastasen eine eingeschränkte Prognose. Die klassische Tumornephrektomie verläuft operationstechnisch in drei Phasen:

 

  • Unterbindung der Nierenstielgefäße vor Manipulation der tumortragenden Niere (initial A. renalis, dann V. renalis), womit der vaskulären Tumorzelldissemination vorgebeugt werden soll.
  • Nephrektomie einschließlich Entfernung der Nierenfettkapsel und ipsilateraler Adrenalektomie.
  • Regionäre Lymphknotendissektion.

 

In unserer Klinik wird bevorzugt der retropertoneale Zugang über einen Flankenschnitt durchgeführt.

 

        

 

Bei Patienten mit kleinen asymptomatischen Tumoren bis zu einer Größe von 5 cm ist die nierenerhaltende Resektion ohne erhöhtes Risiko für den Patienten in Bezug auf Progression und Komplikationsraten möglich.

 

Organerhaltende Tumoroperation

Bei der nierenerhaltenden Tumorresektion wird in unserer Klinik wie folgt verfahren: Der Zugangsweg ist gleich dem zur Nephrektomie. Es wird mit Kopflicht und optischer Vergrößerung operiert. Die Nierenarterie und die Nierenvene werden dargestellt. Ca. 15 min. vor dem Ausklemmen erfolgt die intravenöse Gabe von 15% Mannitol zum weiteren Schutz des Organs. Die Nierenarterie wird selektiv mit einer Gefäßklemme abgeklemmt. Nachfolgend wird die Niere mit Eis heruntergekühlt. Der Tumor wird mit dem elektrischen Messer aus der Niere entfernt. Im Resektionsbett werden Gefäßstümpfe mit einzelnen Nähten selektiv versorgt. Mittels tiefgreifender Parenchymnähte wird die Kontinuität der Niere wiederhergestellt. Es erfolgt die Freigabe der Nierenarterie. Zeigt sich keine Blutung, so wird das Organ in seine ursprüngliche Lage zurückverlagert und der Operationssitus verschlossen.

 

Herauslösen des Tumors

        

 

Resektionsbett

        

 

Parenchymnähte

        

 

Bei nierenerhaltender Tumorresektion ist ein Sicherheitsabstand von 3 Millimetern ausreichend.

 

Bei Nachweis eines Tumorthrombus in der V. renalis bzw. cava wird dieser, ggf. auch durch Kavotomie, entfernt. Bei einem Tumorthrombus, der nicht über die Einmündung der Lebervene hinausreicht, ist die Resektion über einen transabdominalen Zugang (z.B. Chevroninzision) möglich. Bei Thrombusausdehnung nach supradiaphragmal und in den rechten Vorhof ist oft eine Operationserweiterung unter Einsatz der Herz-Lungen-Maschine und Hypothermie erforderlich; diese Maßnahmen sind nur bei fehlender Metastasierung anzustreben. Auch bei Tumorthromben mit Ausdehnung bis in den rechten Vorhof ist die Heilungschance mit ca. 30% nicht geringer als bei solchen unterhalb der Lebervenen. Die Therapie ausgedehneter Cava Thromben erfolgt in unserer Klinik in enger Kooperation mit der Klinik für Herzchirurgie.

 

        

 

Entfernung der Nebenniere (Adrenalektomie)

Die gleichseitige Entfernung der Nebenniere ist Bestandteil der klassischen Tumornephrektomie. Die generelle Notwendigkeit einer im Rahmen der radikalen Tumornephrektomie routinemäßigen Adrenalektomie wird heute kaum noch gesehen. Der Befall der Nebenniere (bei 1–3%) ist praktisch nie Ausdruck eines Tumorwachstums per continuitatem, sondern Zeichen der Metastasierung. Es gibt Hinweise darauf, dass Patienten mit einem T3-Tumor von einer Adrenalektomie profitieren könnten.

 

Lymphknotenentfernung (Lymphadenektomie)

Die Lymphadenektomie zur Festlegung des Lymphknotenstatus beinhaltet beim linksseitigen Tumor die Lymphknoten am Nierengefäßstiel und die neben der Aorta, beim rechtsseitigen Tumor werden die Lymphknoten des Nierengefäßstiels sowie die Lymphknoten neben der unteren Hohlvene entfernt.

 

Operative Expertise-Universitätsklinikum Essen

Nierentumoreingriffe 2007

Gesamt:

185

Organerhalt

83

Nephrektomie

102

Nephrektomie mit Cavazapfenresektion

14

 

2. Metastasiertes Nierenkarzinom

Behandlung des Primärtumors: Palliative Tumornephrektomie

Patienten, die bei Diagnosestellung bereits Metastasen aufweisen, werden dann einer Operation zugeführt wenn der Tumor symptomatisch ist, also z.B. Schmerzen oder wiederkehrende Blutungen verursacht oder wenn ein großer Primärtumor bei geringer Metastasierung Symptome erwarten lässt.

 

Operative Entfernung von Fernmetastasen

Je länger das tumorfreie Intervall ist, desto günstiger ist die Prognose. Ferner ist auch dann die Entfernung von Metastasen sinnvoll , wenn Komplikationen drohen, wie z.B. Frakturen oder ein Querschnitt. Bei Wirbel- und intraspinalen Metastasen mit beginnender Querschnittsymptomatik ist primär eine operative Dekompression vorzunehmen. Bei Vorliegen von Hirnmetastasen besteht ebenfalls unter dem Gesichtspunkt der Lebensqualität eine erweiterte Behandlungsindikation.

 

Derzeit gibt es für die Therapie von Patienten mit Fernmetastasen keine etablierten Verfahren der Chemo-, Hormon- und Immuntherapie. Daher sollten die Patienten nach Möglichkeit innerhalb von qualitativ hoch stehenden klinischen Studien behandelt werden.

 

Strahlentherapie

Eine palliative Strahlentherapie ist bei Knochenmetastasen indiziert, wenn diese symptomatisch sind oder Frakturgefahr besteht. Bei akuter Frakturgefahr ist eine vorherige operative Stabilisierung sinnvoll. Appliziert werden 30-40 Gy Herddosis bei einer Fraktionierung von 2 Gy pro Tag. Bei Vorliegen einer singulären Hirnmetastase ist eine operative Resektion bzw. alternativ eine stereotaktische Einzeitbestrahlung, gefolgt von einer Strahlenbehandlung des gesamten Gehirns, zu erwägen. Symptome wie Hirndruck, Kopfschmerz und Kopfdruck bilden sich darunter rasch zurück rasch zurück. Bei einer Ganzhirnbestrahlung wird üblicherweise eine Dosis von 30-60 Gy in Einzeldosen von 3 Gy empfohlen.

 

Targettherapie bei metastasiertem Nierenzellkarzinom   

 

Tumorzelle

Gefäßzelle

Eine neue Form der onkologischen Therapie ist eine sogenannte zielgerichtete Therapie, die Target Therapie. Dies Therapiephilosophie beinhaltet das gezielte Eingreifen bzw. Ausschalten von Stoffwechselwegen in Tumorzellen.

 

In unserer Klinik können wir Ihnen diese Therapieformen mit allen aktuell zugelassenen neuen Substanzen anbieten. In 2006 wurden drei grosse Phase 3 Studien zur Targettherapie des metastasierten Nierenzellkarzinoms abgeschlossen. Getestet wurden Temsirolimus, ein m-TOR Inhibitor, Sorafenib, ein Multikinaseinhibitor und Sutent, ein Inhibitor des PDGF und VEGF Rezeptors.

 

In allen Studien wurde das progressionsfreie überleben bzw. das Gesamtüberleben verlängert.

Nachsorge

Nach der operativen Therapie von Patienten mit Nierenzellkarzinom ist eine Nachsorge angezeigt, um Lokalrezidive oder eine Metastasierung zu erfassen und die notwendige Therapie einzuleiten. Diese kann die Resektion pulmonaler Filiae oder Lokalrezidive einschließen. In der kleinen Gruppe der Patienten mit genetischer Prädisposition sind individuelle Nachsorgekonzepte nötig. Die erste Kontrolle sollte nach 4-6 Wochen erfolgen und beinhaltet:

 

  • eine körperliche Untersuchung zum Ausschluss operationsspezifischer Komplikationen.
  • die Bestimmung des Kreatininwertes zur Beurteilung der restlichen Nierenfunktion.
  • die Bestimmung des Hämoglobinwertes zur Kontrolle der postoperativen Erholung.
  • Röntgen der Thoraxorgane.
  • Oberbauchsonographie

 

Die weiteren halbjährlichen Kontrollen umfassen als Basisdiagnostik die körperliche Untersuchung, Sonographie, eine Laborkontrolle (Hb, Kreatinin) sowie eine Röntgenuntersuchung der Thoraxorgane.